Führen mit der Bibel

Führen mit der Bibel

Führungskräfte prägen ein Unternehmen. Wie sie selbst jene Werte, Normen und Einstellungen, die der Organisation wichtig sind, vorleben und vermitteln, trägt wesentlich zur Unternehmenskultur bei. Um die elisabethinischen Werte in den Führungsebenen gut zu verankern und die Kultur eines christlichen Miteinanders weiter zu entwickeln, setzen die Elisabethinen in Linz schon seit 2012 wichtige Impulse in dieser Richtung, u.a. mit regelmäßigen Treffen für Führungskräfte unter dem Motto „Führen mit der Bibel“.

 

JE MEHR VERANTWORTUNG jemand für andere trägt, umso mehr braucht er Zeit zum Nachdenken und Innehalten, und umso mehr braucht er Rat und Hilfe zur Orientierung. Sich Zeit dafür zu nehmen ist eine Frage der Achtsamkeit sich selbst gegenüber, die Orientierungshilfe ist uns Christinnen und Christen durch unseren Glauben geschenkt. In der Bibel ist ein reicher Schatz an Beispielen überliefert, aus denen auch sinnvolle Verhaltensregeln für Führungskräfte herausgelesen werden können. Univ. Prof. Dr. Michael Rosenberger, Moraltheologe und Institutsvorstand an der Katholischen Privatuniversität Linz, leitet diese alle sechs Wochen stattfindenden Treffen und versteht es, im Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diese spirituellen Kostbarkeiten zu erschließen.

 

Bibelstellen, Elisabethinische Charta, Tugenden

Inhaltlich startete die Gesprächsrunde mit Texten aus dem Alten und Neuen Testament. Prof. Rosenberger wählte Bibelstellen, aus denen man spezifische Führungsthemen ableiten kann. Im offenen Gespräch mit der Gruppe wurde die Stelle gemeinsam gelesen und der Text auf das jeweils relevante Thema hin diskutiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entdeckten Führungshaltungen bei biblischen Personen und zogen Parallelen zu ihren eigenen Führungsaufgaben.

 

Zweiter großer Themenschwerpunkt war die Charta der Elisabethinischen Sendung, also jener spirituelle Leitfaden, der letztlich im Evangelium wurzelt und die Elisabethinische Sendung als Wegweiser an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen weitergibt. (In der ersten Ausgabe dieses Magazins wurde bereits ausführlich darüber berichtet) Jedes Kapitel wurde dabei Satz für Satz aufmerksam gelesen und ausführlich miteinander besprochen.

 

Dem dritten großen Themenschwerpunkt „Tugenden“ widmet sich die Gruppe seit Beginn dieses Jahres. Auch hier führt Prof. Rosenberger Theorie und Praxisbeispiele anschaulich und gut nachvollziehbar zusammen, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer brauchbare Impulse für ihre Aufgabenbereiche mitnehmen können.

 

Lust auf Spiritualität

Die Themen sind zweifellos anspruchsvoll, aber auch ziemlich spannend, lässt man sich darauf ein. So mancher Teilnehmer, so manche Teilnehmerin hat wohl bereits die Erfahrung gemacht, dass es sehr bereichernd sein kann, die Tiefen der eigenen Spiritualität zu ergründen, indem man einfach einmal laut nachdenkt und anderen zuhört, wenn sie es ebenso tun. Und vielleicht kam dem einen oder der anderen auch ganz deutlich der Gedanke ins Bewusstsein, dass unser Christsein nicht bloß auf den Kirchenbesuch und liturgische Feiern beschränkt ist, sondern uns täglich begleitet und herausfordert, besonders auch in unseren beruflichen Aufgaben. Wie weit man sich in die Diskussion einbringt, ist jedem selbst überlassen – ein aufmerksames Mitdenken ist ebenso willkommen wie ein neugieriges oder gar provokantes Fragen. Es ist immer genügend Zeit, jeden Gedanken zu Ende bzw. weiterzuführen. Als Teilnehmerin bin ich keinem Erwartungsdruck ausgesetzt, muss mich nicht vorbereiten und auch kein Ergebnisprotokoll abliefern. Ich bin eingeladen, mitzudenken, mitzureden und Anregungen für meine Aufgaben mitzunehmen.

 

Als relativ neues Mitglied dieser Gruppe schätze ich an diesem Gesprächsforum besonders die ungezwungene Art des Austauschs und die wohltuende, entspannte Gesprächsatmosphäre, in der Menschen in Führungspositionen einander weniger auf einer sachlichen als eher auf einer zwischenmenschlichen Ebene begegnen. Spirituelle Themen laden naturgemäß in weit höherem Maße als Sachthemen dazu ein, sich persönlich einzubringen. Das narrative Element kommt ins Spiel, Teilnehmer erzählen von ihren Erfahrungen und geben auch ein Stück von sich selbst preis. Einige interessante Aha Erlebnisse stellten sich bei mir schnell ein: da hat jemand ähnliche Erfahrungen wie ich selbst, da teilt jemand meine Überzeugung, da stellt sich jemand dieselben Fragen, usw. Und so ganz nebenbei lerne ich im wahrsten Sinn des Wortes, denn Prof. Rosenberger ist nicht nur ein aufmerksamer und einfühlsamer Diskussionsleiter, sondern auch ein exzellenter Wissensvermittler. Selten konnte ich nach intensiven eineinhalb Stunden das Wesentliche des Abends aus dem Gedächtnis so klar rekapitulieren und verspürte den Drang, es auch niederzuschreiben, damit es mir nicht aus dem Sinn kommt.

 

Der Austausch in der Gruppe, das gegenseitige Zuhören und gehört Werden, die Erfahrung des gemeinsamen Nachdenkens und sich Annäherns an ein Thema, die persönliche Begegnung mit Menschen bei den Elisabethinen geben Halt, Sinn und Richtung und machen Lust auf mehr.

 

Gemütlicher Rahmen

Jedes Treffen beginnt und endet mit einem gemeinsamen Lied in Form eines Kanons – für mich symbolhaft für die Intention, die dahinter steht: auch im Kanon Singen geht es darum, gut auf einander zu hören und das Ganze, also den Gesamtklang, im Sinn zu haben, nicht nur die eigene Stimme, und sich dafür je nach den eigenen Möglichkeiten einzubringen. Heraus kommt nicht immer die perfekte Darbietung, aber in der Musik sind alle verbunden und Teil eines größeren Ganzen.

 

Abschließend trifft man sich zum gemütlichen Ausklang bei Gebäck und einem Glas Wein. Die heimelige Atmosphäre des Erholungsheimes der Elisabethinen am Linzer Freinberg und die Gastfreundschaft der geistlichen Schwestern tragen ebenfalls dazu bei, dass man sich wohlfühlt und gestärkt an Leib und Seele nach Hause geht.

A. RETSCHITZEGGER


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