Im Schatten des Maulbeerbaums

Im Schatten des Maulbeerbaums

Die "Lieserln" auf der Landstraße

 

Im Herzen von Wien entsteht zurzeit ein wertvoller Lebensraum mit unterschiedlichsten Angeboten für Menschen im Alter. Das Ende der ersten Bauphase konnte nun gefeiert werden.

Vor über dreihundert Jahren gegründet, widmen die „Lieserl´n“ bis heute ihre Wachsamkeit und Kraft der Pflege kranker Menschen. Begonnen mit einem Spital für mittellosen Frauen, steht heute die ältere Generation im Mittelpunkt. Wir wagen einen Streifzug durch den Standort der Elisabethinen im 3. Wiener Gemeindebezirk – die Geschichte, das neu entstehende Lebenszentrum im Herzen Wiens und die Eröffnung des „Zentrums für Menschen im Alter“.

 

Vieles wird neu und nicht immer fällt es leicht, große Veränderungen anzunehmen.

 

1709 stärken sich drei ehrwürdige Schwestern unter der Leitung der Grazer Oberin Maria Josepha Rupé unter dem Blätterdach eines Maulbeerbaums in der Wiener Vorstadt. Es ist der 24. August und es ist ein heißer Tag. Nach 11-jährigem Ringen um die Genehmigung, den Konvent in Wien gründen zu dürfen, ist es nun soweit: Das Haus „Schwarzer Ochse“ in der Ungargasse kann endlich besiedelt und ausgebaut werden.

Bereits ein Jahr später erwirbt die Fürstin Maria Antonia Montecuccoli Gründe an der Landstraße, welche den Wiener Ordensfrauen bis heute als Zuhause dienen. Von Beginn an pflegen sie dort zunächst mittellose Frauen. Auch die Klostergemeinschaft wächst an. Ein Strom von Spenden und der Verkauf des „Schwarzen Ochsen“ ermöglichen den Bau einer kleinen Kirche und den Zukauf weiterer Gründe in der Ungargasse.

 

Jede Krise ist eine Chance

Bereits 1741 müssen die „Lieserl´n“ auf der Landstraße die erste große Krise überwinden: Eine Überschwemmungskatastrophe bedroht nicht nur das Gebäude, sie müssen auch von 6 Schwestern Abschied nehmen, die von der Flutwelle in der Klosterküche überrascht wurden und sich nicht mehr retten konnten. Heute erinnern sechs Obelisken im Garten an die Opfer dieser Katastrophe.

Auch das Gebäude ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Franz Anton Pilgram erhält zunächst den Auftrag zur Sanierung, danach den Auftrag zum Neubau des Klosters, der Kirche und des Spitals. Die Grundsteinlegung dafür findet 1743 statt.

Die Wiener „Lieserl´n“ pflegen von Anbeginn an eine herzliche Beziehung zum Kaiserhof. Und so ist es Maria Theresia, die den Bau finanziell großzügig unterstützt. Sie spendet das Kupferblech für das Turmdach, das Erz für die Glocken, das Refektorium mit seinem Kachelofen und auch die Apotheke mit den Wandmalereien und der barocken Einrichtung. Ein historisches Juwel, das heute noch im Originalzustand und in unveränderter Schönheit bewundert werden kann.

Nach dem Tod Maria Theresias wird ihr Sohn Joseph II. neuer Regent. Seine Reformen lassen die Elisabethinen in die nächste Krise taumeln. Der Friedhof am Spitalsareal wird gesperrt. Das Klostervermögen wird zugunsten eines Religionsfonds eingezogen und es fehlt an Novizinnen. Die „Lieserl´n“ verlieren ihren Optimismus jedoch nicht und hoffen mit Gottes Segen auch wieder besseren Zeiten entgegenzugehen. Und gerade Joseph II. macht den Schwestern dann doch das schönste Geschenk. Er übergibt den Elisabethinen die Gebeine und das Haupt der hl. Elisabeth von Thüringen, ein kostbarer Schatz, der heute noch sorgsam gehütet wird.

Die letzte große Krise, die die „Lieserl´n“ auf der Landstraße bewältigen müssen, ist die Zeit des Nationalsozialismus. 1940 müssen alle Spitalsbetten der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden, die Kirchenglocken werden abgenommen, die Turmglocke wird zerschlagen. In allen Räumlichkeiten hängen Hitler-Bilder. Die Verwaltung des Spitals wird den Schwestern entzogen. Und trotzdem leisten sie ihre Arbeit. „In Fröhlichkeit den Menschen dienen“, so ihr Leitsatz, an dem sie festhalten und mit dem sie auch schwierige Zeiten - auf wienerisch gesagt - „aussitzen“. Und mit ungebrochenem Optimismus gehen sie auch wieder besseren Zeiten entgegen.

Große Veränderungen stehen ins Haus

1961 muss im Spital zum ersten Mal weltliches Pflegepersonal angestellt werden. 1986 erfolgt ein weiterer großer Ausbau des Spitals „St. Elisabeth“. Ein Jahr danach besucht Mutter Teresa das Krankenhaus, ein beeindruckender Moment für viele Schwestern. 2007 erfolgt der Zusammenschluss der Wiener und der Linzer Elisabethinen. 2017 fusionieren das Elisabeth-Spital auf der Landstraße mit dem Hartmann-Spital in Margareten zu einem Krankenhaus mit zwei Standorten, dem Franziskus Spital. Der Ausbau zum „Zentrum für Menschen im Alter“ beginnt.

Vieles wird neu und nicht immer fällt es leicht, große Veränderungen anzunehmen. Die Wiener „Lieserl´n“, heute noch 7 Schwestern, haben sich ihren Optimismus, ihren Hausverstand und ihre „wienerische Fröhlichkeit“ gewahrt. Sie sind zufrieden und wissen um die Stärke der Frauen, die seit über 300 Jahren aufopfernd Kranke pflegen.

Und auch der Maulbeerbaum hat alle Veränderungen überdauert. Er breitet auch heute noch sein grünes Dach im Innenhof aus. Als Wiener Naturdenkmal Nr. 4 hat er ebenso wie die Wiener „Lieserl´n“ seinen Platz auf der Landstraße standhaft behauptet.

Lebensquelle im Herzen der Stadt

Heute zeigt sich die gesamte Liegenschaft in einem neuen Licht. Moderne Zubauten ergänzen den historischen Bau des Klosters und des heutigen Franziskus Spitals. Eine helle und offene Eingangshalle, verbunden mit dem alten Klostergang, begrüßt Patientinnen und Besucherinnen. Die Bauphase 1 ist abgeschlossen, die Bauphase 2 schon voll im Geschehen.

Vielseitige Angebote im Zentrum für Menschen im Alter

Inhaltlich ist der Fokus am Standort der Elisabethinen Wien-Mitte in vielerlei Hinsicht auf Menschen im Alter gerichtet. Das Franziskus Spital sorgt mit einer Akutgeriatrie und einer Palliativstation für die Gesundheit von Menschen, die Hilfe im letzten Lebensabschnitt benötigen. Die pflegerische und medizinische Unterstützung ist fachlich hoch kompetent und auf eine menschlich würdevolle Betreuung ausgerichtet.

Zwischen Eingangshalle und Spital befindet sich seit kurzem die Rehab Wien-Mitte – ein Institut, das neben der klassischen physikalischen Medizin auch ein ganz spezielles Angebot im Rucksack hat: Ein innovatives Therapieprogramm im Rahmen einer ambulanten Wirbelsäulen-Rehabilitation, das sich zielgerichtet an berufstätige Menschen richtet. Synergien mit dem Spital sind bereits gegeben. So wird der schöne und moderne Gymnastikraum auch dem Physiotherapie-Team des Franziskus Spitals zur Verfügung gestellt.

Patientinnen und Besucherinnen betreten das Zentrum durch die neu errichtete Eingangshalle, die in gelungener Architektur alt und neu verbindet. Erfahrene Mitarbeiterinnen am modernen und offenen Empfangspult vermitteln die Gastfreundschaft der Elisabethinen. Ankommende Menschen fühlen sich hier willkommen und gut aufgehoben. Ab September wird dieser Empfang durch die „Café Lounge Elisabeth“ bereichert – eine Einladung an alle zu verweilen, Gespräche zu führen oder auch neue Kontakte zu knüpfen.

Bauphase 2 in vollem Gange

Doch damit nicht genug. In den kommenden zwei Jahren wird das Kloster saniert, der Festsaal soll in neuem Glanz für diverse Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Die Küche des Franziskus Spitals wird neu errichtet und auf modernsten Standard gebracht. Schließlich bedeutet Gastfreundschaft auch eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Speisen. Diese Gastfreundschaft besteht bei den „Lieserl´n“ auf der Landstraße seit mehr als 300 Jahren. Von Anbeginn an wurden und werden im „Elisabeth-Brot“ in der Ungargasse auch bedürftige Menschen mit einer warmen Mahlzeit versorgt.

Und eine weitere große Baustelle scharrt in den Startlöchern. Die Baugrube für das Pflegeheim des Malteser Ritterordens ist bereits ausgehoben, bis 2021 entsteht hier – mitten im Areal der Wiener „Lieserl´n“ – das Malteser Ordenshaus, das mit rund 80 Betten die Betreuung für Menschen im Alter sicherstellen wird. Die Palette reicht von kleinen Hilfestellungen bis hin zur 24-Stunden Pflege.

Wertvoller Wohnraum mit grüner Oase

Umrundet wird das medizinische und pflegerische Angebot von Wohnhäusern, in denen die Elisabethinen Linz-Wien rund 250 Mieteinheiten verwalten. In Zukunft ist hier ein spezielles Angebot für jene Mieterinnen angedacht, die im Alter Unterstützung benötigen. Und hier befindet sich auch das Therapiezentrum der Elisabethinen, in dem psychologische und psychosoziale Betreuung angeboten wird. Im Erdgeschoss der Wohngebäude, die sich wie ein offener Ring um Kloster, Kirche und Spital erstrecken, sind rund 20 Geschäftslokale situiert, von der Apotheke über Bäckerei, Blumenladen, Optiker und Friseur bis hin zum Hörgeräteladen.

Und nach Abschluss aller Bauphasen werden auch die Außenflächen im Inneren des Standorts wieder gärtnerisch gestaltet: Eine grüne Oase der Erholung inmitten der Großstadt soll dann die Seele aller Besucherinnen erfreuen. Und auch der Maulbeerbaum, derzeit durch eine Einhausung vor der Baustelle geschützt, wird seine Pracht dann wieder entfalten.

 

Feierliche Eröffnung des Zentrums für Menschen im Alter

Am 9. Mai war es dann so weit. Die Elisabethinen Linz-Wien luden mit ihren Partnern Franziskus Spital und Souveräner Malteser-Ritter-Orden zur feierlichen Eröffnung des Zentrums für Menschen im Alter. Rund 150 Festgäste folgten der Einladung, darunter auch viele Ordensschwestern.

In ihren Begrüßungsworten betonte die Generaloberin der Elisabethinen Linz-Wien, Sr. M Barbara Lehner, die Wichtigkeit des Zentrums für ein gelingendes Leben. Diese Bedeutung wurde auch vom Wiener Stadtrat Peter Hacker in seinen Grußworten unterstrichen.

Bereits bestehende aber auch künftige Angebote des Zentrums waren Thema der anschließenden Gesprächsrunde mit allen Partnern am Standort. Das Fest erreichte mit der Segnung des Zentrums und der Baustelle des Malteser Ordenshauses durch Bischofsvikar P. Gerwin Komma, in Vertretung des Kardinals, seinen feierlichen Höhepunkt.

Danach wurden bei einem gemeinsamen Mittagessen Gespräche geführt, neue Kontakte geknüpft, geplaudert, gelacht. Ein Fest, das in Fröhlichkeit und Optimismus für die Zukunft seinen Ausklang fand.

Vieles ist noch zu tun, aber eines ist sicher: Der gesamte Standort mit seinen vielfältigen Angeboten ist jetzt schon ein Vorzeigeprojekt. Mutig, innovativ und die Bedürfnisse unserer Gesellschaft erkennend – dafür stehen die Elisabethinen mit ihrem Zentrum für Menschen im Alter in Wien Mitte.

 

M. VOGL


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