Vom Anpacken und der Schwarzwälder Kirsch-Torte

Vom Anpacken und der Schwarzwälder Kirsch-Torte

 

Erst vor Kurzem feierte Mutter Ancilla Betting ihr diamantenes Professjubiläum. 60 Jahre verbrachte sie so im Dienste Gottes. In dieser langen Zeit durfte sie vieles erleben – das war aber durch eine schwere Krankheit gar nicht immer so klar. Ihre Mentalität gerade deswegen: einfach anpacken.

Facetten

 „Ich höre immer wieder, wann ich denn aufhören möchte. Ich möchte nicht aufhören. Wenn Gott das dann will, wird er mir schon ein Zeichen schicken.“ Mutter Ancilla Betting, die 1938 als Agnes Betting in Essen (Deutschland) geboren wurde, wusste schon früh, wo ihr Platz ist und ihre Aufgabe liegt. Dass sie ein Leben voller Gebet und Arbeit leben möchte, wurde ihr schon als Heranwachsende durch zahlreiche Besuche in Ferien oder an Feiertagen bei den Benediktinern in Gerleve bewusst. Dieser Wunsch führte sie schließlich nach Oberschönenfeld in Bayern, wo sie 1957 mit nur 19 Jahren in das Zisterzienserinnenkloster eintrat. Dort war sie jahrelang für die Buchhaltung zuständig, wo ihr auch ihre Ausbildung zur Bürokauffrau zum Vorteil gereichte. Anschließend wurde sie Novizenmeisterin, mit nur 33 Jahren Priorin und schließlich 1985 Äbtissin und damit Vorsteherin des Klosters. Bis sie 70 Jahre alt war übte sie diese Tätigkeit aus, legte dann aber ihr Amt zurück. Da war aber noch lange kein Ende ihrer Tätigkeit in Sicht. 2011 hat sie einen Anruf erhalten, dass in Marienkron Not an der Frau sei und ist gleich am nächsten Tag losgefahren. „Ich hab‘s einfach angepackt.“ Seit acht Jahren ist sie in der Abtei Marienkron Priorin.

 

Freiheit

Dass sie all das überhaupt erleben können würde, war lange Zeit nicht klar. Schon in jungen Jahren wurde sie mit einer schweren Krankheit konfrontiert. Eine sehr schwierige, aber auch wichtige Zeit ihres Lebens, so Mutter Ancilla. „Ich bin eigentlich sehr dankbar, dass ich krank geworden bin. Mit dem Tod vor Augen habe ich gelernt, frei und unabhängig zu sein.“ Und auch gelernt, was sie eigentlich alles nicht brauche, denn sich von Dingen zu lösen, das bedeute frei sein für sie. Mit steifen Traditionen und Aussprüchen wie „Das hat so zu sein, weil es immer so war“ kann sie wenig anfangen. „Niemand sagt, dass etwas so zu sein hat. Man kann das doch ändern.“

 

 

 

Für Mutter Ancilla gehören Leib und Seele zusammen.

Wandlung

Komplett geändert hat sie auch mit 70 Jahren ihr Leben, als sie spontan nach Marienkron aufgebrochen ist. Marienkron war und ist für sie eine schwierige Aufgabe. „Wir waren verschuldet und ich wusste ja gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Als sie dann die Elisabethinen kennenlernte, war sie sicher, dass auch diese Aufgabe gelingen kann. Mittlerweile erstrahlt Marienkron in ganz neuem Glanz. Seit 50 Jahren steht Marienkron für Gesundheit mit besonderem Schwerpunkt auf Kneipp-Medizin und -Therapie. Mit dem Umbau wird Darmgesundheit und Ernährung nun noch mehr in den Fokus gerückt. Für Mutter Ancilla gehören Leib und Seele zusammen. Das kann man auch in Marienkron spüren. Spiritualität geht mit körperlicher Gesundheit Hand in Hand. „Wenn ich nur Wellness-Hotels besuche, werde ich sicher nicht gesund.“ Religiöse Angebote und Hilfestellungen sollen den Besucherinnen und Besuchern des Kurhauses dabei helfen, mehr auf sich selbst zu hören und darauf, was sie wirklich brauchen.

 „Ich muss lernen, frei zu sein von alldem, was ich nicht brauche“, so Mutter Ancilla. Das schafft sie, indem sie genau hinhört. Auf ihr Inneres und Innerstes. Sie braucht keine Musik, keine Marmelade auf ihrem Brot. Der bewusste Verzicht, vor allem auch in der Fastenzeit, ist für sie so etwas wie eine Beziehungspflege. „Wenn die Beziehung zu mir selbst und zu Gott stimmt, dann brauche ich das alles nicht.“ Und es tue gut, nicht alles brauchen zu müssen. Es befreie den Kopf und sie selbst. „Höre – Ancilla“ steht auch am Eingang zu ihrer Zelle. Eine Aufforderung, der sie in ihrer Zelle, ihrem Himmel auf Erden, gerne nachkommt. Kein Radio, keine Musik. Das braucht sie dort nicht. Nur sonntags beim gemeinsamen Mittagessen läuft Musik. Das genießt sie dann auch.

Schwarzwälder-Kirsch

Kochen kann Mutter Ancilla nicht. Dafür ist in ihrer langen Karriere und in den zahlreichen Ämtern einfach keine Zeit geblieben. Genießen kann sie aber trotzdem – und zwar ganz besonders Süßspeisen. Als sie krank war bat Ancilla ihre Mutter darum, den Schwestern, falls sie nun sterben sollte, Schwarzwälder Kirsch-Torte zu bringen. „Seitdem bekomme ich an jedem meiner Geburtstage oder Festtage Schwarzwälder Kirsch-Torte“, so Mutter Ancilla mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich lebe gerne. Und ich finde meine Aufgabe sehr schön.“ An ein Aufhören denkt sie noch nicht. Anpacken und mehr Schwarzwälder Kirsch-Torte essen also.

 

J. BROSSMANN


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