Viel mehr als Nachwuchsarbeit

Viel mehr als Nachwuchsarbeit

Der eigenen Berufung auf die Spur kommen

Nachwuchsarbeit gibt es in vielen Bereichen unseres Lebens: Sportvereine, Musikgruppen, Berufsverbände, Interessensvertretungen und Unternehmen setzen alle möglichen Maßnahmen, damit sie neue Mitglieder oder Mitarbeiter bekommen. Von außen betrachtet könnte die Berufungspastoral von Ordens - gemeinschaften in diesem Sinne als reine Nachwuchsarbeit gedeutet werden. Beim genaueren Hinschauen habe ich aber erfahren, dass sich viel mehr hinter diesem Begriff verbirgt. Tauchen Sie mit mir ein wenig ein in die Welt der Berufungspastoral.

„Wir glauben, dass Gott in jeden Menschen eine Berufung legt“, erklärt mir Sr. Rita Kitzmüller am Anfang unseres Gesprächs. Sie kümmert sich gemeinsam mit fünf ihrer Mitschwestern um die Berufungspastoral der Elisabethinen Linz-Wien. Natürlich geht es den Ordensfrauen darum, junge Frauen für das Leben in ihrer Ordensgemeinschaft zu gewinnen. Das ist aber nur die enge Interpretation der Berufungspastoral, wie mir Sr. Rita versichert. Sie selber sieht ihre Aufgabe viel weiter gefasst: „Wir wollen jungen Menschen helfen, der eigenen Berufung auf die Spur zu kommen.“ Dass die Entdeckung der eigenen Berufung in den meisten Fällen nicht mit dem Eintritt in eine Ordensgemeinschaft endet, ist Sr. Rita dabei völlig klar. Ich bin neugierig geworden und lese auf Wikipedia nach. Dort steht zu lesen: „Berufungspastoral ist die seelsorger - liche Aktivität (Pastoral) einer in der Regel christlichen Glaubensgemeinschaft, mit dem Ziel, ein allgemeines Berufungsbewusstsein zu wecken (Berufung zum Mensch-Sein), zu ehrenamtlichen Diensten in der Gemeinde zu motivieren (Berufung zum Christ-Sein) und bei der Entdeckung der Berufung zu einem Lebensweg als Priester oder im geweihten Leben zu helfen.“

Menschen, wie du und ich – geistlich begleiten

„Wir begleiten Menschen, ganz normale Leute sozusagen und geben ihnen Hilfestellungen“, sagt Sr. Rita. Die Ordensfrau beschreibt mir die Berufungspastoral über den Aspekt der geistlichen Begleitung, für die man sich seinen Begleiter oder seine Begleiterin bewusst aussucht. Alle 4 – 6 Wochen führt sie mit ihren Anvertrauten ein Gespräch. „Entscheidend in der Begleitung ist, was der Mensch selber findet. Das ist wertvoll und kostbar. Oft geht es darum, dass wir den Menschen, die wir begleiten dürfen, sehen helfen, damit sie die Berufung in sich finden. Weil vier Augen mehr sehen als zwei. Meist stehen sie vor wichtigen Lebensentscheidungen, die sie immer wieder auch mit dem Blick auf Gott treffen möchten.“ Zentral ist bei der geist lichen Begleitung deshalb auch das Gebet. Ob das jeder machen kann, will ich von meiner Gesprächspartnerin wissen. „Man muss keine Ordensfrau und kein Priester sein, um diese geistliche Begleitung machen zu können“, erklärt sie mir. Seit gut 20 Jahren lässt sie sich auch selber geistlich begleiten und diese Erfahrungen aus dem Begleitet Sein spielen eine große Rolle. Aber es gibt auch Möglichkeiten, sich theoretisches Wissen anzueignen „Ich habe von 2006 bis 2008 eine Ausbildung im Kardinal König Haus in Wien gemacht. Dort habe ich vieles gelernt, was mir heute als Werkzeugkoffer in der geistlichen Begleitung hilft.“ Diese Begleitung ist aber keinesfalls mit einer Therapie zu verwechseln, stellt sie klar. Dazu sind andere Ausbildungen erforderlich und andere Menschen berufen.

Franziskanisches Berufungsjahr
Erstes Wochenende: 2. bis 3. Dezember 2017 in Salzburg.
Alle weiteren Termine im Flyer auf www.die-elisabethinen.at.
Mitleben bei den Elisabethinen: 6. bis 8. Februar 2018 oder nach persönlicher Vereinbarung.
Weitere Veranstaltungen und spirituelle Angebote finden Sie auf www.die-elisabethinen.at.

Ins Ordensleben eintauchen dürfen

Das Team der Berufungspastoral bietet aber auch verschiedene Möglichkeiten, das Ordensleben mehr oder weniger intensiv kennenzulernen. Sr. Rita erzählt mir vom Mitleben im Kloster. Interessierte Frauen können dabei einige Tage in der Ordensgemeinschaft verbringen und so ins Ordensleben eintauchen. Wer mehr davon haben möchte, kann das Angebot des Klosters auf Zeit oder das freiwillige Ordensjahr nutzen. „Und gemeinsam mit anderen Ordensgemeinschaften, Männer- und Frauenorden, gestalten wir immer wieder das franziskanische Berufungsjahr. Dabei begleiten wir eine Gruppe von interessierten Frauen und Männern durch ein ganzes Jahr, mit verschiedenen spiri - tuellen Angeboten und Erlebnissen.“ Wer schon einmal von Gruppendynamik gehört hat, weiß jetzt sicher, dass die Aufnahme von Menschen in eine Geglauben & leben … berufungspastoral 17 die elisabethinen in österreich meinschaft immer zu einer gewissen Irritation führt. Auf die Frage, ob das auch in der Gemeinschaft der Elisabethinen so ist, antwortet Sr. Rita: „Ja, das hat in unserer Gemeinschaft schon viel bewegt. Wir haben heute sicher eine andere Begegnungskultur nach außen zu jungen Leuten, als noch vor einigen Jahren. Und die Fragen, die wir gestellt bekommen, wenn junge Frauen mit uns leben, animieren meine Mitschwestern und mich dazu, uns immer wieder mit unserem Sendungsauftrag und mit unserer eigenen, individuellen Berufung auseinanderzusetzen. Das ist sehr wertvoll für unsere Gemeinschaft. Davon bin ich fest überzeugt.“

Eine lebendige Gemeinschaft

Die Berufungspastoral wirkt also nicht nur nach außen. Sie hat auch eine ganz wesentliche Funktion nach innen, für die eigene Gemeinschaft der Elisabethinen. Und diese Gemeinschaft ist eine lebendige, so wie ich sie bisher erleben durfte – wenn auch nur von außen, als Mitarbeiter.

M. ETLINGER


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