Eine Frage der Ethik

Im klinischen Alltag gibt es täglich weitreichende Entscheidungen zu treffen. Ethik spielt dabei eine große Rolle. In unseren Krankenhäusern berät ein multiprofessionelles Team bei medizinisch-moralischen Fragen.

Jedes Leben ist einmalig und einzigartig. Wer mit Menschen arbeitet, weiß das. Ganz besonders im klinischen Alltag. Welche Richtlinien und Abläufe auch immer es geben mag – und so notwendig diese sind – sie ersetzen niemals die ganz persönliche Behandlung jedes*r Einzelnen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Bedürfnisse, seinen eigenen Willen. Und als Patient*in vertraut er*sie sich mit all dem uns an. Tagtäglich stehen Mitarbeiter*innen daher vor der Herausforderung, bei schwierigen Entscheidungen zu beraten. Entscheidungen, die zum Teil weitreichende Konsequenzen für Lebensqualität und Lebensdauer haben. Dies einer einzelnen Person aufzubürden, ist nicht verantwortbar. In unseren Krankenhäusern werden solche Entscheidungen in multiprofessionellen Teams nach ethischen Grundsätzen getroffen. Ohnehin gelten bei allem Tun die vier Grundsätze der Medizinethik: Selbstbestimmung, Fürsorge, Gerechtigkeit und das Prinzip der Schadensvermeidung. Dazu aber, bei besonderen Fragestellungen, gibt es die gesonderte ethische Beratung. Entweder flexibel in den Alltag integriert, etwa an kleineren Standorten, wie im Franziskus Spital in Wien, oder fix als eigenes Ethikkomitee installiert, wie bei den Elisabethinen Linz und Graz.

„Ethik prägt unser Tun“

In Graz wurde das Ethikkomitee 2011 institutionalisiert. Zum rund 20 Personen umfassenden Team gehören neben zentralen Verantwortlichen im Krankenhaus speziell ausgebildete Ethikberater*innen aus unterschiedlichen Bereichen, etwa aus Medizin, Pflege, Therapie, Seelsorge, Psychologie sowie externe Expert*innen. Das Ethikkomitee befasst sich einerseits mit grundlegenden ethischen Fragen und Herausforderungen und den damit verbundenen Bildungsangeboten, die für die Arbeit im Krankenhaus relevant sind, zum Beispiel Ethik am Lebensende. Andererseits, und das ist eine Kernaufgabe, leistet das Ethikkomitee akute Beratung bei allen Fragen, die sich aus dem Behandlungsprozess ergeben. Die Ethikberater*innen treffen aber die Entscheidungen nicht, sondern befähigen die betrauten Mitarbeiter*innen, diese selbst verantwortungsvoll nach ethisch sensiblen Gesichtspunkten zu treffen. Dazu Mag. Peter Rosegger, Vorstandsmitglied Ethikkomitee: „Ethik prägt unser Tun. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zu unserer Hauskultur, gehört zu unseren spirituellen und grundlegenden Leitlinien und ist ebenso wichtig wie alle anderen Maßnahmen.“ Jede und jeder kann eine „ethische Fallberatung“ anfordern: Patient*innen, Angehörige, Ärzt*innen, Pfleger*innen. Peter Rosegger weiter: „Ethische Fragestellungen im Krankenhaus entstehen täglich, die meisten werden im normalen Tagesablauf zufriedenstellend beantwortet. Schwierigere Fragen behandeln wir strukturierter.“ Dabei variiert das Setting von Einzelberatungen bis zu moderierten Fallbesprechungen mit dem gesamten Behandlungsteam.

„Der Patient*innenwille ist immer oberste Maxime“ –

so Primar Doz. Dr. Georg Roth aus dem Wiener Franziskus Spital. Hier aber kann es zu ethisch-medizinischen Konflikten kommen oder, auch das ist medizinischer Alltag, der Patient*innenwille ist nicht artikuliert oder feststellbar, etwa bei Urteilsunfähigkeit. Dies ist eine typische Fragestellung für die Ethikberatung. Andere Beispiele wären: Umgang mit Patient*innenverfügungen, Therapiezieländerung, Therapie- oder Pflegeablehnung, gewünschter Suizid. Jede Entscheidung, bei der es um das Leben eines Menschen geht, belastet sowohl Patient*innen, Angehörige als auch die betroffenen Mitarbeiter*innen. Insofern bietet eine multidisziplinäre Beratung in jedem einzelnen Fall einen geschützten Rahmen, in dem zum Wohle des*r Patienten*in alle relevanten Themen umfassend beleuchtet werden. Das unterstreicht auch Mag.a Lucia Hanslmaier, Ethik-Koordinatorin im Ordensklinikum Linz Elisabethinen: „Moralisch konfliktträchtige Situationen, wie zum Beispiel verschiedene Ansichten hinsichtlich Prognose, Nutzen und Sinn einer Behandlung, sind für das Behandlungsteam belastend und führen zu ‚moral distress’. Die Ethikarbeit trägt hier zur Entlastung und besseren Kommunikation bei.“ Im Ordensklinikum Linz Elisabethinen wurde das „Klinische Ethikkomitee“ im Laufe des Jahres 2020 institutionalisiert. In enger Zusammenarbeit mit dem Ordensklinikum Barmherzige Schwestern, das bereits seit mehreren Jahren mit einem fix installierten Komitee arbeitet. Das klinische Ethikkomitee in beiden Häusern, kurz KEK genannt, besteht aus rund 15 Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Bereichen und bedient sich mehrerer Instrumente. Das bekannteste und umfangreichste ist die ethische Fallberatung mit Hilfe von Fachpersonen.

Diese unterstützen die Beteiligten in schwierigen Behandlungssituationen beim Entscheidungsprozess, immer natürlich unter Einbeziehung von Patient*innen und deren Angehörigen. Dies stellt ein wichtiges Qualitätskriterium bei der Behandlung dar. Auch werden bei der Fallberatung moralische Vorannahmen überprüft und reflektiert und gemeinsam wird versucht, die beste Entscheidung für die Betroffenen zu finden. Ethikberater*innen fungieren hier als Mediator*innen und sind sowohl in ethischen Belangen als auch in allen kommunikativen entsprechend ausgebildet.

V. HALVAX


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