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Sr. Barbara Lehner, Generaloberin der Elisabethinen Linz-Wien

Es gibt viele Gründe, Sr. Barbara in unserer Rubrik „Lichtblicke“ vor den Vorhang zu holen. Jetzt, im Frühling 2022 gibt es aber darüber hinaus drei ganz besondere Anlässe, mit ihr ins Gespräch zu kommen: ihr 65. Geburtstag im März, das Erscheinen der neuen Chronik der Elisabethinen Linz und deren Präsentation genau am 260. Todestag der Stifterin des Linzer Konvents, Ernestine von Sternegg, und das 400-jähige Jubiläum der Ordensgründung des ersten Elisabethinenkonvents in Aachen.

Sr. Barbara, diese Ausgabe des Elisabethinen Magazins steht unter dem Thema „Dem Ruf folgen“. Warum ist das ein Leitmotiv in der Geschichte der Elisabethinen?

SR. BARBARA: Eigentlich liegt allen elisabethinischen Gründungen ein Ruf verbunden mit einem Auftrag zugrunde, den Frauen verschiedenster Herkunft im Laufe der Geschichte immer wieder verspürten und ihm folgten: Apollonia Radermecher zum Beispiel. Sie gilt als Gründerin des Aachener Mutterhauses und folgte einerseits ihrem inneren Ruf, gemeinsam mit anderen Frauen karitativ tätig zu sein, andererseits folgte sie auch dem Ruf der Stadt Aachen, aus dem niederländischen ´s-Hertogenbosch wieder in ihre Heimatstadt zurückzukehren und dort das Amt als „Gasthausmeisterin“ am städtischen Armenspital zu übernehmen. Am 13. August 1622 trat sie dieses Amt an und gründete zu diesem Zweck die Ordensgemeinschaft der „Hospitalschwestern der heiligen Elisabeth vom Dritten Orden des heiligen Franziskus“, kurz die „Elisabethinnen“. Diese Gemeinschaft erwarb sich bald einen sehr guten Ruf in der Pflege und Betreuung kranker Menschen, sodass sich immer mehr Frauen gerufen fühlten, sich ihr anzuschließen. Auch von Österreich erging der Ruf an die Aachener Schwestern, solche Einrichtungen aufzubauen. So entstanden Gründungen der Elisabethinen in Graz, dann Wien und von Wien aus Linz. Überall zogen die Elisabethinen Frauen an, die tatkräftig daran gingen, ihren Auftrag im Dienst an ihren Mitmenschen zu verwirklichen. Auch hier in Linz war das so. Es waren mutige und tüchtige Frauen, die immer mit der Zeit gingen und viel auf sich nahmen. Obwohl sie oft einen hohen Preis für den Fortbestand ihrer Werke zahlen mussten, blieben sie ihrem Ruf und ihrem Auftrag stets treu. Das gefällt mir ganz besonders an unserer Geschichte.

Welche Mühen die Linzer Schwestern im Laufe ihrer Geschichte auf sich nehmen mussten und welche Hindernisse sie zu bewältigen hatten, ist sehr anschaulich in der neuen Chronik beschrieben. Welche Gedanken kommen dir, wenn du deine eigene Geschichte als Ordensfrau seit deinem Eintritt 1974 revuepassieren lässt?

SR. BARBARA: Hätte mir jemand bei meinem Eintritt prophezeit, dass ich knapp 40 Jahre später Generaloberin der Elisabethinen Linz-Wien und Geschäftsführerin der elisabethinen linz-wien gmbh sein würde, ich hätte es niemals geglaubt. Aber ich konnte in der Gemeinschaft der Elisabethinen die Fähigkeiten, die mir Gott gegeben hat, in Freiheit entfalten, immer in Abstimmung mit der Ordensleitung und immer mit der Prämisse „Was ist gerade dran?“ Hier kommt auch wieder der Ruf ins Spiel. So gab es mehrere Abschnitte in meinem beruflichen Leben: als Krankenschwester, als Lehrende in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege, und schließlich als Leitende im Unternehmen und im Orden. Egal zu welcher Zeit oder in welcher Position, ich hatte immer die Möglichkeit zum Mitgestalten.

„Werte, Wandel und Wirken“ – so lautet der Titel des neuen umfassenden Geschichtswerks über die Elisabethinen in Linz. Warum gerade dieses drei „W“s?

SR. BARBARA: Die drei „W“s sind in unserer modernen, global vernetzten Welt unsere ständigen Begleiter geworden. Für die Chronik haben wir ganz bewusst diese drei Buchstaben mit Begriffen besetzt, von denen wir meinen, dass sie am besten ausdrücken, wofür wir stehen. Unser Wertesystem, das im Evangelium wurzelt, haben wir daher auch aus historischer Sicht durchleuchtet. Grenzen erkennen, relevant bleiben, Lebensrealitäten annehmen, den Fortschritt begrüßen und der Seele Raum geben – diese Werte fassen das Wesen unserer Ordensgemeinschaft recht anschaulich zusammen. Von Anfang an war unsere Ausrichtung auf die Heilung kranker Menschen gerichtet. Hier zogen die Schwestern schon früh eine ganz klare Grenze, denn ein Siechenhaus wollten sie nicht werden. Diesem Anspruch blieben sie durch die Jahrhunderte treu und legten die Basis für ein hochmodernes Krankenhaus. Relevant zu bleiben heißt für uns, ein Gespür für Trends zu entwickeln und vorausschauend sinnvolle Schritte zu setzen. Z. B. haben wir wahrgenommen, dass viele Menschen auch außerhalb der Schulmedizin nach Möglichkeiten zur Linderung und Heilung suchen. Wir haben uns überlegt, was wir komplementärmedizinisch anbieten können, um die Schulmedizin zu unterstützen und dabei seriös zu bleiben. Heuer freuen wir uns, dass unser „elisana“ – Zentrum für ganzheitliche Medizin bereits sein 10-jähriges Bestehen feiert. Mit der Gründung des „health“ – Medizinisches Training haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Prävention gesetzt. Mit dem Generationenwohnhaus am Elisabethgarten bieten wir Wohnmodelle für Menschen in verschiedenen Lebensphasen an und wirken dem Trend der Vereinsamung und Isolation entgegen. Auch das ist eine Lebensrealität, der wir uns stellen. In unserem „Kernbereich“, dem Krankenhaus, kommt der Anspruch, den Fortschritt zu begrüßen, ganz besonders zum Tragen. Seit meinem Eintritt ins Kloster habe ich immer wahrgenommen, dass die Schwestern am Puls der Zeit geblieben sind. Ob es die erste Nierentransplantation war oder die vielen Entwicklungen in Medizin und Pflege, stets waren in unserer Gemeinschaft die Begeisterung und die Freude darüber zu spüren. Auch hinter der Gründung des Ordensklinikums vor fünf Jahren steht unsere Bereitschaft, reale Gegebenheiten in der Treue zu unserem Auftrag anzunehmen, auch wenn es ein sehr einschneidender Schritt in unserer Geschichte war.

„Der Seele Raum geben“ ist der letzte und vielleicht über allem stehende Wert in der Geschichte der Elisabethinen. Wie gelingt das als Ordensgemeinschaft und dir ganz persönlich als Generaloberin und Geschäftsführerin mit einem sehr dichten Terminkalender?

SR. BARBARA: Hinter all unserem Wirken steht unsere Lebensform als Ordensgemeinschaft. Sie ist unsere große Kraftquelle. Wir haben versprochen, unser Leben und unsere Fähigkeiten für etwas Großes Ganzes einzusetzen. Damit wir in unserem Auftrag, ganzheitlich heilend und frohmachend für die Menschen da zu sein, wirksam sein können, schaffen wir jene Wirklichkeiten, in denen wir auf die Menschen zugehen und nahe bei ihnen sind. Wir tun das mit Leidenschaft und Begeisterung, aber diese Begeisterung muss auch übergehen in Hingabe, damit sie zur Kraftquelle werden kann. Durch die Verbindung mit Gott im persönlichen Gebet versiegt diese Quelle nie. Ich kann für mich sagen, dass ich diese Balance gefunden habe. Du hast vor kurzem deinen 65. Geburtstag gefeiert. An solchen Geburtstagen zieht man gerne Bilanz über das Vergangene und blickt in die Zukunft. Welche Gedanken sind dir gekommen? SR. BARBARA: Dankbarkeit in der Rückschau, ganz im Sinne dessen, was ich vorher schon alles gesagt habe. Auch die Gewissheit, auf den richtigen Weg gerufen worden zu sein. Durch meine Lebensform – der äußere Ausdruck ist mein Ordenskleid – erinnere ich vielleicht Menschen an Gott. Es gibt die „stabilitas“ in meinem Leben – die elisabethinische Lebensform und, geografisch gesehen, die Achse zwischen Linz, Wien und dem Oberen Mühlviertel – aber auch unglaublich viel Bewegung darin und rundherum. Es ist gut so, wie es ist.

A. RETSCHITZEGGER


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