Ankommen im Kloster

Anfang Oktober feierten die Elisabethinen in Linz ein sehr schönes und erfreuliches, aber selten gewordenes Fest: Sr. M. Helena Fürst legte im Rahmen eines festlich gestalteten Gottesdienstes ihre zeitliche Profess ab. Ihren Weg von der Kandidatin zur Einkleidung im Oktober 2020 haben wir in diesem Magazin bereits dokumentiert. Für diese Ausgabe rund um das Thema „Ankommen“ haben wir uns mit Sr. Helena als jüngstem Mitglied der Linzer Ordensgemeinschaft, mit Sr. Rita Kitzmüller als ihrer Ausbildungsleiterin und mit Sr. Goretti Tremel, die heuer ihr 60-jähriges Professjubiläum feiert, unterhalten.

Drei unterschiedliche Geschichten des Ankommens bei den Elisabethinen

SR. GORETTI ERINNERT SICH sehr genau. 1962 legte sie ihre zeitliche Profess ab, der erste Kontakt und das erste Ankommen liegen aber natürlich noch weiter zurück. Sie erzählt, dass der Klostergedanke wie aus heiterem Himmel einfach da war und bei ihr die Reaktion auslöste, dass dies ein möglicher Weg für sie sein könnte. Damals war sie erst 16 Jahre alt und bei einem Bauern in Dienst, dessen Familie das religiöse Leben pflegte und auch Sr. Goretti gerne daran teilnehmen ließ. So konnte sie auch am Leben in der Pfarre teilhaben. Als sie 19 Jahre alt war, verspürte sie mitten in der Feldarbeit wieder diesen spontanen inneren „Ruf“. Sie hörte sich denken: jetzt bin ich alt genug. Noch in der gleichen Woche fuhr sie mit ihrer Tante, die die Elisabethinen kannte, nach Linz, um dort um Aufnahme zu bitten. Die erste Zeit nach dem Eintritt war für Sr. Goretti eher ernüchternd. Sie und zwei andere Kandidatinnen durften noch nicht in der Gemeinschaft leben. Die Mahlzeiten nahmen sie getrennt ein, und die Teilnahme am Chorgebet und anderen Andachten war ihnen nicht erlaubt. „Und wir hätten doch so einen Eifer mitgebracht!“, erinnert sich Sr. Goretti. Nach ca. fünf Wochen wurden die drei Kandidatinnen in einer kleinen Feier in die Gemeinschaft aufgenommen und zum Postulat zugelassen. Sie bekamen das lange, schwarze Postulantinnenkleid, einen Schleier und eine kurze Pelerine. Ihre Einkleidung wurde dann aber als großes Fest mit einem Gottesdienst gefeiert, zu dem sie als Bräute in Weiß in die Kirche einzogen. Sie bekamen das Ordenskleid (den Habit), den Gürtel, das Skapulier (Überwurf über das Ordenskleid), einen Rosenkranz und ihren Ordensnamen. Das folgende Noviziat war ein strenges Jahr, in dem die Ordensausbildung begann. Nach dem Noviziat begann Sr. Goretti auch ihre Ausbildung zur Krankenschwester. In ihrem Inneren wusste sie, dass sie am richtigen Ort angekommen war.

Sr. Rita fand den Weg zu den Elisabethinen über Sr. Elisabeth, die oft im Stift Reichersberg ihren Urlaub verbrachte und den Pfarrer ihrer Heimatgemeinde Schardenberg gut kannte. Einmal führte Sr. Elisabeth bei einem Sonntagsgottesdienst dort mit ihm ein Predigtgespräch, das Sr. Rita, damals 12 Jahre alt, sehr nahe ging. „Sie war einfach so cool, unglaublich fesch und so normal, fröhlich und authentisch“, erinnert sich Sr. Rita. Bei der anschließenden Begegnung im Pfarrsaal lernte sie Sr. Elisabeth persönlich kennen und kam kurz darauf zur Mandeloperation zu den Lisln nach Linz. Den Kontakt mit Sr. Elisabeth hielt sie und kam immer wieder gerne zu Wochenend-Aushilfsdiensten ins Krankenhaus. Bei der Einkleidungsfeier von Sr. Viktoria konnte Sr. Rita erstmals das Kloster von innen sehen. Wenig begeistert war sie vom Zimmer der Novizinnen, in dem die Betten mit schweren Vorhängen voneinander getrennt waren. Zwischen dem 13. und 19. Lebensjahr reifte in Sr. Rita die Berufung zur Ordensfrau. Obwohl sie in ihrem Heimatort als Jugendliche sehr gerne und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnahm, verspürte sie gleichzeitig den starken Wunsch, ihrem inneren Ruf genauer nachzugehen. Nach einem Exerzitienaufenthalt in der Steiermark wusste sie, dass sie zu den Elisabethinen gehören wollte. Ihre Eltern brachten sie damals nach Linz. Im Gepäck hatte sie nur das Nötigste an Wäsche und ein paar wenige persönliche Dinge und war sehr verwundert, als die damalige Noviziatsleiterin angesichts der zwei kleinen Reisetaschen ausrief: „So viele Sachen!“ Man trank noch gemeinsam einen Kaffee, aber dann hieß es Abschied nehmen. Sr. Rita wurde just in das besagte „Vorhangzimmer“ gebracht, das sie so gar nicht mochte. Im Unterschied zu Sr. Goretti durfte Sr. Rita aber sofort an den Gebetszeiten teilnehmen und auch die Mahlzeiten mit den anderen Schwestern im Refektorium einnehmen, allerdings an einem gesonderten Tisch. Auch die Rekreation (Zeit der Erholung in Gemeinschaft) war damals noch getrennt.

Als sich Sr. Helena die Frage nach dem „Mehr“ in ihrem Leben stellte, spürte auch sie ihrer inneren Sehnsucht nach. Dass es dafür heute ganz andere Möglichkeiten gibt als zu Sr. Gorettis und Sr. Ritas Zeiten, liegt auf der Hand. Sr. Helena recherchierte im Internet und schaute sich insgesamt zehn Gemeinschaften in vier verschiedenen Ländern persönlich an. Über das franziskanische Berufungsjahr lernte sie dann Sr. Rita kennen, die junge Menschen dabei begleitet. Bevor sie um Aufnahme bat, hatte sie also schon einige Zeit bei den Elisabethinen in Linz verbracht und kannte die Gemeinschaft und das Haus bereits. Die etwas weitere Anreise aus ihrer Heimatstadt Bern in der Schweiz legte sie gemeinsam mit ihren Eltern im Camper mit Zwischenstopp am Chiemsee zurück. An einem Samstag kam die Familie in Linz an, die Eltern blieben noch bis Sonntag, aber dann hieß es auch für Sr. Helena Abschied nehmen. Das Ankommen war auch für sie mit einer großen Umstellung verbunden: ein fremdes Land, eine andere Mentalität, anderes Essen, ein anderer Dialekt, und dazu noch die Umstellung auf einen sehr strukturierten Alltag setzten ihr doch zu. Aber im Unterschied zu Sr. Goretti und Sr. Rita war bereits vieles möglich, was damals noch undenkbar war. So brachte Sr. Helena z.B. ihren Ohrensessel mit ins Kloster.

Was hat sich verändert?

Sr. Helena war bei ihrem Eintritt bereits älter als Sr.Rita und Sr. Goretti es waren. Sie hatte bereits eine Ausbildung und war schon an ein unabhängiges Leben gewöhnt. In gewisser Weise gab sie mehr auf als junge Frauen in früheren Zeiten, weil sie eben auch schon mehr besessen hatte. Darüber hinaus ist der Unterschied zwischen der Realität „draußen“ und dem Leben im Kloster heute größer, etwa in Bezug auf den persönlichen Freiraum. So war früher der Eintritt ins Kloster oft eigentlich ein Übergang von einem Autoritätsverhältnis (Vater/Eltern) in ein neues (Oberin). Heute ist es in einer Ordensgemeinschaft besonders wichtig, für junge Ordensfrauen eine gute Balance zwischen der Individualität ihrer Person und dem Adaptiertsein im Kloster zu finden. Sr. Rita fügt hinzu, dass sich das Autoritätsverständnis im Laufe der Jahre sowohl in der Gesellschaft als auch in der Ordensgemeinschaft sehr verändert hat. Sr. Helena sagt, dass sie sich als Kandidatin die Option freihielt, wieder auszusteigen und nach Hause zurückzukehren, sollte sie spüren, dass ihr Schritt ins Kloster nicht der richtige war. Sr. Goretti und Sr. Rita hätten sich das nicht zugestanden, sondern gingen schon eher von der Endgültigkeit ihrer Entscheidung aus. Zu Sr. Gorettis Zeit war der Eintritt ins Kloster sogar noch ein Abschied von der Familie für immer, denn Heimaturlaube waren zu jener Zeit noch nicht üblich. Auch dieser Tatsache war sie sich sehr bewusst.

Innerlich ankommen

Sr. Rita erzählt, dass sie erst dann innerlich richtig im Orden angekommen war, als sie sich intensiv mit den existentiellen Fragen des Lebens auseinandersetzte, besonders auch mit dem Fokus, ihre Erkenntnisse auch anderen vermitteln zu können.

Von verschiedenen Ebenen des Ankommens spricht auch Sr. Goretti. Im Laufe ihres Ordenslebens sei immer etwas in ihr gewachsen, sagt sie. Wie und wann man ankommt sei immer auch eine Frage der Identität, und es gibt keine Garantie, dass man überhaupt jemals ankommt. Ihr persönliches Ankommen bei Gott wächst immer noch, sagt sie, langsam und stetig, ganz wie es ihrem Naturell entspricht.

Auch Sr. Helena kommt Schritt für Schritt in der neuen Lebensform an und legte mit der zeitlichen Profess den Grundstein für ein erfülltes Leben als Elisabethine. Heute sagt sie: „Bei mir selbst bin ich schon angekommen, für die Gemeinschaft wird es noch etwas länger brauchen.“

A. RETSCHITZEGGER


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