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Erblühen kommt immer von innen

Das Leben kann uns vor Herausforderungen stellen, die uns an unsere Grenze bringen. Manchmal geben uns psychische Erkrankungen das Gefühl, dass es keinen Ausweg gibt. Wie kann es gelingen in das Leben zurückzufinden? Kraft zu schöpfen? Sich neu zu entfalten? Wir haben mit Primarius Dr. Peter Hlade, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses der Elisabethinen Graz, darüber gesprochen, was er mit dem Begriff „Aufblühen“ verbindet und wie es gelingen kann, Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei zu unterstützen wieder in das Leben zurückzufinden.

Raum schaffen

Grundlegend sei es zunächst, den Menschen Raum zu geben, sich selbst wahrnehmen zu können. Zu verstehen, wo sie stehen, um dann in weiterer Folge zu schauen, wo es hingehen kann. Um das zu erreichen, ist es wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung mit den Patient*innen einzugehen um ihnen die Möglichkeit zu geben, Beziehungen neu zu erleben. Damit das gelingen kann, darf man den Menschen nicht auf die Krankheit reduzieren. Man muss die Schwere der Probleme und Symptome anerkennen und gleichzeitig die noch vorhandenen Ressourcen würdigen. Damit sich etwas entfalten und wachsen kann, muss erstmal der passende Rahmen geschaffen werden. Als Beispiel dafür nennt Hlade Patient*innen mit einer dementiellen Erkrankung. Es sei wichtig, nicht immer nur das zu versuchen, was schwerfällt – dann kann schnell Frustration entstehen. Deshalb ist es wesentlich, auch das zu fördern, was noch gut gelingt. „Hier ist es ganz wichtig die Balance zu finden – also weg von einer defizitorientierten Medizin, hin zu einer, die Defizite erkennt, aber an diesem Punkt nicht stehen bleibt, sondern gleichzeitig die Dinge, die sehr wohl noch funktionieren, daneben stellt.“

Individuelle Unterstützung

Die medikamentöse Therapie ist in vielen Fällen erstmal dafür da, die Patient*innen zu stabilisieren, um dann mit ihnen arbeiten zu können. „Das ist vielleicht zu verstehen wie ein Dünger für die Pflanzen, um wieder eine Stabilität sicher zu stellen. Nur zu Düngen, ohne dass die Pflanze ausreichend Platz oder Licht und Wasser hat, wird nicht funktionieren.“ Jeder Mensch ist anders, deshalb mache es keinen Sinn, für alle Personen die gleichen Therapien anzuwenden. Zusammen mit den Patient*innen wird besprochen, welche Therapieangebote am besten passen. Durch die Vielfalt an therapeutischen Möglichkeiten, kann man aus dem Vollen schöpfen und gemeinsam mit den Patient*innen individuelle Programme zusammenstellen. Angeboten werden neben der Psychotherapie auch: Ergotherapie, Kunsttherapie, Körpertherapie, Musiktherapie, Physiotherapie, Körpertherapie, Lichttherapie, Tanztherapie, Biofeedback, Diätologie, Entspannungsgruppen, Aromapflege, Sozialarbeit und spirituelle Begleitung.

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

HERMAN HESSE
AUSZUG AUS DEM GEDICHT „STUFEN“

Türen öffnen und neue Wege gehen

Die Spiritualität im Krankenhaus ist sowohl für Mitarbeitende, als auch für Patient*innen spürbar. Wir schaffen einen sicheren Ort für Patient*innen, an dem sie ankommen können und sich in ihrer Ganzheit als Mensch wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Die Atmosphäre, die auf den Stationen vorherrscht, ist dabei essenziell. „Wir schaffen das zum Beispiel, indem wir uns bemühen unsere Türen stets offen zu halten“, sagt Hlade. Und das nicht nur im übertragenen Sinn. Gerade auf der „geschlossenen Station“ der Psychiatrie macht es einen Unterschied, ob die Tür der Station offen oder geschlossen ist. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Tür grundsätzlich offen zu lassen und nur in Ausnahmefällen, wenn es zu unruhig auf der Station ist, die Tür zu schließen. Allein diese Haltung, die Türe prinzipiell offen zu halten, hat schon viel geändert – es ist einfach ein anderes Gefühl, wenn man die Station durch eine offene Tür betritt!“, so Hlade. Patient*innen sollen damit auch das Gefühl haben, dass es keine „Bestrafung“ ist, auf die geschlossene Station zu kommen. Außerdem sei es nicht zielführend, Patient*innen von einer Station auf die nächste Station zu verlegen, denn die Basis für die erfolgreiche Arbeit mit Patient*innen sind die Beziehungen, die sich Patient*innen mit dem- jeweiligen Team aufbauen.

Erblühen kommt immer von innen

„Es geht gar nicht darum in voller Blüte zu sein“, erklärt Hlade. Die perfekte Heilung, der am „Ziel“ angekommene, der vollendete Mensch: darum ginge es nicht. Sondern Stück für Stück Lebensqualität zurückzugewinnen. Die Menschen wieder neugierig machen auf neue Möglichkeiten und sie zu ermutigen neue Wege zu gehen. „Erblühen kommt immer von Innen. Und dass dies funktioniert, dürfen wir in unserer Arbeit oft erleben. Dass wir Leute, die zu uns kommen, wieder mit Zuversicht nach Hause entlassen können.“ Als einen entscheidenden Faktor nennt Hlade neben den hochwertigen Therapieangeboten und den Medikamenten die Zusammenarbeit und Stimmung im Team und auf den Stationen. Denn die übertrage sich unmittelbar auf die Patient*innen. „Wir lachen gerne miteinander und wir lachen gerne mit den Patient*innen. Und genau deshalb können wir uns untereinander und auch die Patient*innen so gut unterstützen.“

A. LEEB


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