Bei den "Lieserln" auf der Landstraße

Archäologische Spuren von Wiens erstem Frauenspital

Obwohl jeder archäologische Auftrag immer irgendwo etwas Spannendes hat, gibt es Projekte, die etwas ganz Besonderes haben. Anfang Oktober 2018 begann für uns ein solches Grabungsprojekt im Innenhof des Elisabethinen-Klosters am unteren Ende der Landstraßer Hauptstraße, da im Innenhof des Klosters derzeit ein neues Alten- und Pflegeheim des Souveränen Maltesterordens errichtet wird.

Das Spital wurde 1715 vom Orden der Elisabethinen als erste Einrichtung in Wien eröffnet, die im Gegensatz zu allen anderen Spitälern ausschließlich medizinisch kranken Frauen offenstand. Verstarben Patientinnen während ihres Aufenthalts im Spital, wurden sie zumindest bis 1784, als Joseph II. aus hygienischen Gründen innerstädtische Bestattungen untersagte, in einem eigenen Friedhof im Innenhof des Klosters bestattet. Aus den Sterbebüchern des Spitals geht hervor, dass dies doch recht häufig der Fall war, da sich pro Monat etwa fünf bis 15 Einträge finden. Die recht ausführlichen Einträge in diesen Büchern liefern aber auch noch weitere Informationen über die Patientinnen des Spitals. So wird deutlich, dass es Frauen aus den unteren sozialen Schichten waren – etwa Dienstbotinnen, Hauspersonal oder Händlerinnen –, die dort behandelt wurden. Die in den Sterbebüchern eingetragenen Geburtsorte der Frauen demonstrieren darüber hinaus eindrucksvoll eines der zentralen Merkmale der Wiener Bevölkerungsstruktur im 18. Jahrhundert: die Migration aus allen Teilen der Habsburger-Monarchie. Die hygienischen und gesundheitlichen Verhältnisse im barocken Wien waren katastrophal. So lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa bei 22 bis 23 Jahren.

Einen Einblick in ebendiese Zustände bieten nun die Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen. Ende Jänner 2019 konnte erstmals eine größere Fläche des ehemaligen Spitalsfriedhofs freigelegt werden. Seitdem wurden etwa 300 vollständige und sehr gut erhaltene Bestattungen von Spitalspatientinnen (es konnten bisher tatsächlich nur Frauen nachgewiesen werden) archäologisch dokumentiert und fachgerecht geborgen. Die Bestattungsweise entspricht dem typischen Bild frühneuzeitlicher Spitalsfriedhöfe. Die Toten wurden in Holzsärgen in engen, rechteckigen Grabschächten bestattet. Vermutlich aus Platzgründen und Pragmatismus wurde jeder Schacht für mindestens drei, oft jedoch bis zu sechs aufeinanderfolgende Bestattungen genutzt. Die Ausstattung der Toten entspricht ebenfalls dem allgemeinen Bestattungsritus im Barock, denn aufwendige Bekleidung, Schmuck oder andere Trachtbestandteile waren ohnehin nicht üblich. Etwa der Hälfte der Frauen wurden einfache religiöse Anhänger mit Heiligenbildern mitgegeben, seltener fanden wir einfache Kreuze, aber auch zwei Rosenkränze mit Perlen aus Bein.

Eine systematische wissenschaftliche Untersuchung der Skelette soll nun in den nächsten Jahren noch detailliertere Erkenntnisse über die Lebenswelten der einfachen Frauen im barocken Wien liefern. Die Verstorbenen aus Wiens erstem Frauenspital bieten nun die einzigartige Chance, diese Geschichten wieder hervorzuholen und damit eine große Lücke in unserem Wissen um die Stadt, in einer der bedeutendsten Perioden ihrer kulturellen und politischen Entwicklung, zu schließen.